Seit Erscheinen von Elsa Schuders Romans „Die Hutmacher“ über die Gubener Hutmacherfamilie Wilke vor drei Wochen, wurde ich wiederholt auf die Person des Theodor Wilke angesprochen.
Darf man dem Glauben schenken, was die Autorin im Roman über ihn schreibt? Wo wohnte er eigentlich? Diese und ähnliche Fragen wurden mir nicht nur bei der Buchvorstellung am 11. Juli wiederholt gestellt und sie bewegten mich ja selbst, auch über die Drucklegung des Romans hinaus. Antworten darauf zu finden, gleicht indes einem Puzzle-Spiel, bei dem viele Einzelteile fehlen. Umso größere Bedeutung erhalten daher die vorhandenen Details, um das Bild des Theodor Wilke mit abgesicherten Fakten zu gestalten.
Nehmen wir den Faden vom Ende her auf, so verstarb Theodor Wilke am 8. Mai des Jahres 1918 im Alter von 81 Jahren. Er starb also 10 Jahre nach seinem Bruder Friedrich Wilke, der 1908 bei einem Eisenbahnunglück ums Leben kam.
Die Todesanzeige für Theodor in der „Gubener Zeitung“ vom 11. Mai 1918 war im Namen der Hinterbliebenen von seiner Witwe Emma Wilke, geborene Witte aufgegeben worden. Emma Witte ist genau der Name, den seine Frau auch im Roman führt. Hier hat die Autorin also auf eine Verfremdung des Namens, wie sie es an anderer Stelle mehrfach vorgenommen hat, verzichtet.
Nachrufe von Seiten des Magistrats und der Hutfabrik C. G. Wilke sucht man vergebens, was darauf schließen lässt, dass er weder ein politisches Mandat in der Stadt innehatte, noch in der Hutfabrik tätig war.
Allerdings findet sich in der „Gubener Zeitung“ ein Nachruf von Seiten der Museumsdeputation. Darin heißt es, er hatte „dem Museum einer dem Umfange und ganz besonders dem Inhalte nach hochbedeutsame Sammlung vorgeschichtlicher Gegenstände unserer Heimat geschenkt“. Auch an dieser Stelle werden die Ausführungen des Romans durch die Realität bestätigt.
Dass Theodor Wilke aus der Hutfabrik ausgetreten war, findet seine Bestätigung in einer Selbstdarstellung der Hutfabrik im „Buch der Stadt Guben“, in dem auf Seite 223 ersichtlich wird, dass Theodor Wilke im Jahre 1876 „aus der Firma ausschied“.
Das Engagement Theodor Wilkes für das 1874 eingeweihte Gubener Stadttheater wird im Roman „Die Hutmacher“ eindrucksvoll beschrieben. Und auch hier orientiert sich die Autorin am tatsächlichen Geschehen. In der Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Gubener Stadttheaters, erschienen im Jahre 1924, wird auf Seite 22 mitgeteilt, dass er sich mit 4000 Talern an der Aktiengesellschaft zur Errichtung des Theaters beteiligte. Damit war er neben dem Stadtrat Carl Lehmann diejenige Privatperson aus Guben, die sich mit der größten Summe an diesem Projekt beteiligte. In der Festschrift findet sich zudem das einzige überlieferte Bildnis des Theodor Wilke.
Im Roman finden sich auch mehrfach Andeutungen darauf, dass sich die Wohnhäuser von Friedrich und Theodor Wilke in naher Nachbarschaft befunden haben. Nun ist auf das Wohnhaus von Friedrich Wilke in der damaligen Bahnhofstraße 35 – heute Berliner Straße und Sitz der Volkssolidarität – schon mehrfach in der Heimatliteratur eingegangen worden. Das Wohnhaus von Theodor Wilke konnte indes bislang nicht benannt werden.
Hält man in der Berliner Straße Ausschau nach einer ansehnlichen Villa so fallen die Blicke sogleich auf das wieder so wunderbar hergerichtete Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Poliklinik. Hier befindet sich seit Ende März u. a. eine von engagierten jungen Damen geleitete Physiotherapie, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Doch dieses markante herrschaftliche Gebäude gehörte dem Tuchfabrikanten Friedrich Wilhelm Schmidt. Die Villa links daneben, die sich dem Betrachter gegenwärtig in mit Baugerüsten verdecktem Zustand darbietet, gehörte seinem Sohn Paul Schmidt. Die Initialen PS am Hauseingang weisen darauf hin.
Richtet man den Blick allerdings nach rechts, so zeigt sich dem Betrachter das Gebäude mit der Hausnummer 12, in dem sich gegenwärtig Arztpraxen und ein Geschenkartikel-Geschäft befinden. In diesem mehrgeschossigen doch nach außen recht schlichtem Gebäude wohnte, laut Einwohnerbuch von 1904, Theodor Wilke und seine Familie – tatsächlich vis a vis des Wohnhauses seines Bruders Friedrich Wilke. Das Haus hat nach dem Tode von Theodor Wilke sicherlich einschneidende äußere Veränderungen erfahren. 1920 lebte noch immer seine Witwe als Eigentümerin des Hauses dort. 1928 gehörte das Gebäude dem Wagenfabrikanten Friedrich Haigold. 1949 schließlich öffnete dort der erste HO-Laden. |