Kommt man die B 97 aus Richtung Schenkendöbern nach Guben, so lädt eine kleine Parknische vor dem Ortseingangsschild seit kurzem mit fünf großformatigen Aufstellern zur ersten Bekanntschaft mit der Neißestadt ein.
Bietet ein detaillierter mehrfarbiger Übersichtsplan die notwendige innerstädtische Orientierung, so lassen sich von einer weiteren Tafel sogar aktuelle Veranstaltungstermine entnehmen. Die Tafel ganz rechts trägt die Überschrift „Kirchen in Guben/Gubin“ und nennt, ergänzt durch Bilder, fünf evangelische und katholische Kirchen der Doppelstadt mit ihrem Entstehungsjahr bzw. dem Jahr ihrer Ersterwähnung.
Doch warum fehlt hier die Friedenskirche in der Dr.-Ayrer-Straße? Ebenso vermisse ich jeglichen Hinweis auf die Synagoge sowie den sehenswerten jüdischen Friedhof. Zwar existiert die Synagoge nicht mehr, wohl aber seit 1998 ein entsprechender Gedenkstein, der an sie und das Schicksal der Gubener Juden erinnert. Liegt hierbei bewusste Ignoranz oder „nur“ nachlässige Unwissenheit vor? Auf jeden Fall wird mit diesem Touristischen Leitsystem jüdisches Leben aus dem öffentlichen Raum der Stadt verbannt. Sollte dies wirklich beabsichtigt sein?
Mehrfach habe ich darauf hingewiesen, dass sich die Gubener Stadt- und Hauptkirche bezüglich ihrer Größe mit anderen Kirchen der Niederlausitz, wie der Oberkirche in Cottbus oder der evangelischen Kirche in Luckau, messen kann. Die größte evangelische Kirche in der Niederlausitz war sie jedoch nie! Diese Feststellung beruht auf Ausführungen von Karl Gander in seinem Buch „Guben Perle der Lausitz“ von 1914, S. 25. Leider wurde auf besagter Tafel die unbegründete Überhöhung aus dem Band „Guben Stadt und Land vor 1945“, S. 92 übernommen, die unverständlicher und unberechtigter Weise auch im „Heimatlexikon für Guben und Umgebung“, von 2002, S.61 Aufnahme fand.
Die nächste Tafel ist überschrieben „Ansichten Guben/Gubin“ und zeigt 6 großformatige mehrfarbige Bilder. Auf Untertitel wurde verzichtet. Vielleicht soll auf diese Weise niemand bemerken, dass keines Gubin zeigt.
Eine vierte Tafel führt die grundlegende Wandlung Gubens in den letzten Jahren vor Augen, die sich vor allem an der Neugestaltung des Gubener Dreiecks zeigt, wie sie sich hier in zwei Bildern in Gegenüberstellung von 1960 und 2007 eindrucksvoll widerspiegelt. Beigegeben wurden zwölf Daten aus der Stadtgeschichte, die sowohl auf Grund ihrer überaus geringen Anzahl, ihrer unrepräsentativen Auswahl und ihrer Fehlerhaftigkeit nähere Betrachtung verdienen.
Da ist zu lesen: „1561 – Beginn des Salzsiedens in Guben“. Nicht etwa der Gubener Wein oder die traditionelle Tuchmacherei waren einst prägend für die Neißestadt, nein es war das Salzsieden!
Weiter heißt es: „1857 – Gasanstalt als eine der ersten in Deutschland“. Da tut es nichts zur Sache, dass Prof. Heinrich Silbergleit in seinem Buch „Preußens Städte“ von 1908 (S. 233) allein 23 Städte in Preußen nennt, die eher eine Gasanstalt hatten. Wie viele mögen es in ganz Deutschland gewesen sein?!
Das nächste Beispiel: „1861 – erste Wollspinnerei von Cockerill“. Doch welcher der für die europäische Industrialisierung bedeutungsvollen Brüder Cockerill – James, John oder William – ist hier gemeint? Die Wahl fällt schnell auf Letztgenannten, doch der starb bereits 1847 in Guben. Somit ist auch die Jahreszahl 1861 falsch.
„1961 – Guben wurde in Wilhelm-Pieck-Stadt Guben umbenannt“ hätte auf der Tafel noch Platz. Doch diese Jahreszahl war wohl zu unwichtig. In Brandenburg/Havel wurde jüngst eine Schule nach dem Historiker und Ehrenbürger Otto Tschirch benannt, geboren 1858 in Guben. In Fürstenwalde/Spree wird für ein lebensgroßes Denkmal gesammelt, das dem Graphiker und Ehrenbürger Gerhard Goßmann gewidmet ist, geboren 1912 in Guben. In ihrer Geburtsstadt indes sind sie nicht einmal der Erwähnung wert.
Nur gut, dass es versierte Stadtführer gibt! Dieses touristisch-historische Leitsystem lässt ihnen viel Raum für ihre sachkundigen Ausführungen und eröffnet ihnen völlig neue Betätigungsfelder. |